Ersatz von Gerinnungsfaktoren (Faktor-Substitutionstherapie)

Zuletzt geändert: 09.02.2022 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e131279

Seit etwa 50 Jahren gibt es Konzentrate von Gerinnungsfaktoren zur Behandlung von Patienten mit Hämophilie. Bei diesen Faktorkonzentraten handelt es sich um Gerinnungsfaktoren (Faktor VIII und Faktor IX), die zuvor aus menschlichem Blutplasma gewonnen wurden. Seit den 90er Jahren sind auch Gentechnisch hergestellte (rekombinante) Faktoren verfügbar.

In den letzten Jahren wurden diese gentechnisch hergestellten Faktoren durch verschiedene Verfahren, die deren Abbauzeit im Stoffwechsel verlängern (biologische Halbwertszeit), verändert. Zu diesen Verfahren gehören die Kopplung an andere Moleküle wie bei der Albuminfusion mit F IX (rIX-FP = Albutrepenonacog alfa, Idelvion), die Fc-Fusion mit F VIII und F IX (rF VIIIFc Efmoroctocog alfa, Elocta; rF IXFc Eftrenonacog alfa Alprolix) oder die PEGlierung von F VIII und F IX (Rurioctocog alfa pegol, Adynovi; Da-moctocog alfa pegol, Jivi; Turoctocog alfa pegol, Esperoct und der PEGylierte F IX Nonacog beta pegol, Refixia).

Gabe von Faktorkonzentraten (Substitutionstherapie)

Welches Präparat im Einzelfall zum Einsatz kommt, ist von vielen Faktoren abhängig und wird individuell gemeinsam mit den Eltern entschieden. Die Therapie mit Faktorkonzentraten ermöglicht den gezielten Ersatz des Faktors, der dem Patienten fehlt. Hämophilie-A-Patienten erhalten Faktor VIII und Hämophilie-B-Patienten Faktor IX. Die Gabe von Faktorkonzentraten wird als Substitutionstherapie ("Substitution" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet "Ersatz") bezeichnet. Sie erfolgt über eine Vene (intravenös). Eltern sollten wissen:

Obwohl Patienten mit Hämophilie A oder B ähnliche Krankheitsverläufe haben, werden sie mit unterschiedlichen Faktorpräparaten behandelt.

Daher ist für eine erfolgreiche Behandlung entscheidend, dass zuvor die richtige Diagnose gesichert wurde (siehe "Diagnose").

Faktorkonzentrate werden wie folgt angewandt:

  • als Bedarfs- ( "on-demand") Behandlung, also bei bestehender Blutung
  • als blutungsverhütende Dauerbehandlung (Prophylaxe)

Bedarfsbehandlung (On-Demand-Behandlung)

Bei der Bedarfsbehandlung wird ein Gerinnungsfaktor dann ersetzt, wenn ein aktueller Bedarf besteht. Das ist beispielsweise bei einer akuten Blutung oder vor einer Operation oder vor einer Zahnbehandlung der Fall. Bei einer akuten Blutung muss die Verabreichung des Faktorkonzentrates so schnell wie möglich erfolgen. Normalerweise spürt der Betroffene die beginnende Blutung bereits sehr früh, auch wenn die Blutung für Außenstehende noch nicht sichtbar ist (siehe "Krankheitszeichen"). Zu diesem Zeitpunkt können beginnende Blutungen durchaus mit einer einzigen Injektion gestoppt werden. Größere Blutungen bedürfen für ihre Rückbildung in der Regel einer mehrtägigen oder manchmal wochenlangen Therapie.

Dauerbehandlung (Prophylaxe)

Die Dauerbehandlung wird vorwiegend bei Kindern und Jugendlichen mit schwerer Hämophilie durchgeführt. Sie hat zum Ziel, einen Faktorspiegel (siehe "Krankheitszeichen") von mehr als 1 % im Blut des Patienten dauerhaft aufrecht zu erhalten. Dazu ist ein regelmäßiger Ersatz von Faktor VIII beziehungsweise Faktor IX notwendig.Auf diese Weise schwächt sich die schwere Hämophilie je nach zeitlichem Abstand zur letzten Spritze zur milden bis mittelschweren Form ab. Das bedeutet:

Dauerbehandelte Hämophiliepatienten haben weiterhin eine verstärkte Blutungsneigung, jedoch kommt es seltener als bei Unbehandelten zu spontanen Gelenkblutungen.

Bei den Faktorpräparaten handelt es sich um Eiweißstoffe. Unterschiedliche Eiweiße haben unterschiedlichebiologische Halbwertszeiten. Das hat zur Folge, dass sie jeweils nur für eine bestimmte Zeit im Körper aktiv sind, bevor sie abgebaut und dadurch unwirksam werden. Faktor VIII hat eine kürzere Halbwertszeit als Faktor IX. Deshalb benötigen Hämophilie A-Patienten häufiger Faktorgaben (in der Regel dreimal in der Woche oder alle zwei Tage) als Hämophile mit der B-Form (ein bis zweimal wöchentlich).

Die Faktorbehandlung kann von den Patienten – nach einer entsprechenden Schulung – ohne fremde Hilfe zu Hause durchgeführt werden (Heimselbstbehandlung).