Therapie: Wie wird das Wiskott-Aldrich-Syndrom behandelt?

Autor:  Prof. Dr. med. Michael Albert / Dr. med. habil. Gesche Tallen, Zuletzt geändert: 06.11.2023 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e253606

Derzeit lässt sich weder anhand der Schwere der Krankheitsausprägung in den ersten Lebensjahren, noch aufgrund der zugrundeliegenden Art der Veränderung im WAS-Gen zuverlässig vorhersagen, wie die Erkrankung weiter verlaufen wird. Deshalb werden bei allen Patienten mit WAS die Behandlungsentscheidungen immer individuell vorgenommen und sollten regelmäßig überprüft werden.

Manche Patienten mit der milden Variante (siehe „Krankheitsverläufe“) benötigen lebenslang keine Therapie. Viele Patienten mit der klassischen Verlaufsform können hingegen nur überleben, wenn sie frühzeitig sowohl mit Medikamenten zur Linderung der Krankheitszeichen behandelt werden (symptomatische Therapie) als auch Therapien erhalten, durch die die Blutzellen mit dem kranken WAS-Protein komplett durch gesunde Blutzellen ersetzt werden (kurative Therapie).

Die folgenden Behandlungen kommen bei Patienten mit WAS regelmäßig zum Einsatz:

Symptomatische Therapien

Die symptomatische Therapie hat das Ziel, die gesundheitlichen Probleme eines Patienten mit Wiskott-Aldrich Syndrom (WAS) zu lindern. Sie richtet sich vor allem nach den Krankheitssymptomen und nach der Ausprägung des Immundefekts.

Behandlung des Immundefekts

Bei einem schweren Immundefekt kann die Gabe von Medikamenten angezeigt sein, mit denen Infektionen vorgebeugt wird (prophylaktische Antibiotikatherapie) sowie von Substanzen, die die körpereigene Abwehr stärken (Immunglobuline).

Behandlung von Autoimmunkrankheiten

WAS-Patienten, die zusätzlich zu einem Immundefekt an Autoimmunkrankheiten leiden (siehe „Krankheitszeichen“), profitieren oft auch von Medikamenten, die das körpereigene Immunsystem unterdrücken wie zum Beispiel Glukokortikoide. Manche Erscheinungen wie beispielsweise eine Vaskulitis der Haut können auch mit Medikamenten behandelt werden, die den Interleukin-1 Rezeptor blockieren.

Behandlung von Blutungen

Manchmal ist zur Behandlung von Blutungen die Gabe von Spenderblutplättchen (Thrombozytenkonzentrat) angezeigt. Dies gilt auch vor Operationen oder größeren zahnmedizinischen Eingriffen und bei akuten, bedrohlichen Blutungen. Die Behandlung mit Spenderblutplättchen ist allerdings keine Routinemaßnahme und erfolgt nicht bei ausschließlich stark erniedrigten Thrombozytenwerten oder bei harmlosen Blutungen wie Nasenbluten.

Kurative Therapie - Hämatopoetische Stammzelltransplantation

Durch die Übertragung von blutbildenden Stammzellen eines gesunden Spenders (allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation, SZT) kann das WAS geheilt werden.

Diese Behandlungsform ist bei allen Patienten mit der klassischen Variante der Erkrankung (siehe Krankheitsverläufe“) frühzeitig angezeigt. Obwohl die Behandlung nicht frei von Risiken und Spätfolgen ist, kann sie auch bei Patienten mit milderen Krankheitsverläufen in Erwägung gezogen werden, jedoch sollten individueller Nutzen und mögliche Nachteile für den Patienten sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Grundsätzlich kann man heute nach allogener SZT in einem spezialisierten Zentrum von Heilungsraten um 90 % ausgehen.

Voraussetzung für diese Therapiemöglichkeit ist allerdings, dass der Patient einen passenden Spender (Geschwister oder unverwandter Fremdspender) von Stammzellen hat. Darunter versteht man einen Spender, dessen wichtige Oberflächenmerkmale der Stammzellen mit denen des Patienten übereinstimmen. Bei Fehlen eines passenden Spenders kann heutzutage die Transplantation von einem halb-identischen (haploidentischen) Spender, zum Beispiel einem Elternteil, erwogen werden.

Bei einer SZT werden dem WAS-Patienten über eine große Vene Stammzellen der Blutbildung (Blutstammzellen) vergleichbar mit einer Bluttransfusion verabreicht. Die Blutstammzellen wurden zuvor aus dem Knochenmark oder dem Blut eines gesunden Spenders entnommen.

Eine gefürchtete Nebenwirkung der allogenen SZT ist das Auftreten einer unerwünschten Immunreaktion der Spenderzellen gegen den Empfänger, die sogenannte Transplantat-gegen-Wirt-Krankheit (englisch: Graft versus Host Disease, GvHD). Bei der "autologen Stammzell-Gentherapie" wird versucht, die Erkrankung durch Transplantation von eigenen (autologen) Stammzellen zu behandeln, die zuvor im Reagenzglas „genkorrigiert“ wurden, womit eine GvHD sicher vermieden werden kann. Eine solche Behandlung ist jedoch noch in klinischer Erprobung. Ausführliche Informationen zur allogenen Stammzelltransplantation finden Sie hier.

Milzentfernung

Wichtig zu wissen: Eine Milzentfernung wird bei Patienten mit WAS nur noch in sehr seltenen Ausnahmefällen empfohlen. Bei Patienten, bei denen später eine Stammzelltransplantation geplant ist, sollte sie nicht durchgeführt werden.

Informationen zur Entfernung der Milz finden Sie hier.