Deferoxamin (DFO)

Autor:  Prof. Dr. med. H. Cario, Dr. med. R. Grosse, Redaktion:  Ingrid Grüneberg, Zuletzt geändert: 02.12.2021 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e201971

Deferoxamin (DFO) war das erste Medikament aus der Gruppe der Chelatoren. DFO wurde in den frühen 1970er Jahren für die Therapie der Thalassämia major eingeführt.

Weil DFO nicht gut über die Darmschleimhaut aufgenommen wird und weil DFO sehr schnell aus dem Blut über die Niere ausgeschieden wird, muss man das Medikament als kontinuierliche Infusion verabreichen. Das passiert in der Regel über eine unter der Haut (subkutan) liegende Verweilkanüle. Von einigen Patienten wird für die Infusion auch ein zentraler Venenkatheter (Port-Systeme) genutzt, so dass dann die Infusion intravenös erfolgt. Idealerweise würde die DFO-Infusion rund um die Uhr, Tag für Tag, erfolgen. Das ist meist nicht praktikabel. Daher wird in der Regel empfohlen, DFO nächtlich über mindestens 10-12 Stunden zu infundieren, an so vielen Tagen pro Woche wie möglich, mindestens jedoch an fünf Tagen.
DFO funktioniert auf zwei Arten: zum einen bindet es fest an Eisen, und in der Folge entsteht das Chelat Feroxamin. Dieses kann (im Gegensatz zum freien Eisen) vom Körper ausgeschieden werden. Zum anderen setzt es sehr schnell die gewebeschädigende Wirkung von Eisen herab, indem es die Bildung von freien Radikalen verhindert.

DFO bindet hauptsächlich das freie Eisen, welches beim Abbau der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) frei wird. Das Eisen wird anschließend über den Urin ausgeschieden. In geringerem Ausmaß bindet sich DFO an das Eisen, welches beim Abbau von Speichereisen in den Leberzellen frei wird. Diese Verbindung wird dann auch mit dem Stuhl aus dem Körper entfernt. Aufgrund seiner Moleküllgröße ist DFO allerdings nicht in der Lage, zusätzlich zu den Leber- in andere Körperzellen wie Herzmuskelzellen einzudringen und dort Eisen zu binden. Somit reicht die Behandlung mit DFO allein bei Patienten mit Herzproblemen nicht aus. Neben der Zuverlässigkeit bei der empfohlenen Anwendung durch den Patienten hängt der Erfolg einer Behandlung mit DFO auch vom Ausmaß der Eisenüberladung sowie von einem ausreichenden Vitamin C-Spiegel im Körper ab. Daher kann eventuell die zusätzliche Zufuhr von Vitamin C notwendig sein. Das (zur normalen Nahrung) zusätzliche Vitamin C darf aber jeweils erst nach Start der täglichen DFO-Verabreichung gestartet werden, weil es sonst auch schädliche Effekte haben könnte. Auf jeden Fall muss eine zusätzliche Vitamin C-Einnahme vorher immer mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.

Nebenwirkungen der Deferoxamin-Therapie und deren Behandlung

Hautreaktionen: Reaktionen wie Juckreiz, Rötung, Schwellung, und Schmerzen können im Bereich der Einstichstellen vorkommen. Deshalb sollten diese möglichst viel gewechselt werden. Auch können Schmerzen gemildert werden, indem eine lokal betäubende Salbe oder ein Betäubungspflaster 30 - 60 Minuten vor der DFO-Behandlung auf die geplante Einstichstelle aufgetragen wird. Ebenso gibt es bestimmte Salben gegen Rötung und Juckreiz. Bei Schwellungen hilft das Auflegen einer warmen Kompresse nach Ende der DFO-Infusion. Je schneller das DFO verabreicht wird, desto häufiger treten Schwellungen und Rötungen auf. Daher kann es auch helfen, die DFO Infusionsdauer zu verlängern.

DFO-Allergie: Allergien, das heißt schwere Abwehrreaktionen des Körpers gegen DFO, kommen insgesamt selten vor. Allergische Reaktionen treten in der Regel bei manchen Patienten auf, die gerade erst mit der DFO-Therapie begonnen haben. Jedoch können auch Patienten, die bereits regelmäßig DFO erhalten, milde Formen der folgenden allergischen Reaktionen bei sich feststellen, über die die Eltern den behandelnden Arzt unbedingt informieren sollten.

Eltern sollten wissen: Folgende Reaktionen können Abwehrmechanismen widerspiegeln und Anzeichen einer allergischen Reaktion gegen DFO sein: allgemeines Unwohlsein, Kribbelgefühle, Schläfrigkeit, großflächiger roter Hautausschlag, Quaddelbildung der Haut, Anschwellen von Gesicht, Händen und Füssen, Luftnot, schneller Herzschlag, Fieber und Muskelschmerzen

Falls eine dieser Komplikationen auftritt, werden die Ärzte die laufende DFO-Infusion unverzüglich stoppen und Sie über andere Behandlungsmöglichkeiten informieren. Hierzu gehört beispielsweise so genannte Desensibilisierung, bei der durch Gabe bestimmter Substanzen die Abwehrreaktionen des Körpers gegen das DFO abgeschwächt werden können. Alternativ kann ein anderer Eisenbinder verabreicht werden.

Hör- und Sehstörungen: Bei manchen Patienten, die regelmäßig DFO erhalten, können Innenohrschäden und Sehstörungen auftreten. Die Patienten klagen dann über Ohrgeräusche wie einen dauerhaften Klingelton im Ohr (Tinnitus) oder über Schwerhörigkeit, besonders von hohen Tönen. Andere fallen durch Nachtblindheit, Verschwommensehen, herabgesetzte Sehschärfe oder eine gestörte Farbwahrnehmung auf. Um diesen Nebenwirkungen vorzubeugen, kontrollieren die ärzte das Ausmaß der individuellen Eisenüberladung (siehe "Diagnostik"), um die DFO-Dosis jeweils der persönlichen Situation des Kindes oder Jugendlichen anzupassen. Ein erhöhtes Risiko, Hör- oder Sehstörungen zu entwickeln, haben Patienten

  • mit Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)
  • die aufgrund psychischer Störungen zusätzlich bestimmte Medikamente (Psychopharmaka) einnehmen müssen

Patienten, bei denen Hör- oder Sehstörungen auftreten, sollten die Therapie mit DFO in Absprache mit dem behandelnden Arzt für eine gewisse Zeit pausieren. Wenn die Beschwerden verschwunden sind, kann die Behandlung in einer geringeren Dosis als zuvor fortgesetzt werden.

Skelettveränderungen: Die Verabreichung von hoch dosiertem DFO bei eher niedriger Eisenlast kann, besonders bei sehr kleinen Kindern (jünger als 3 Jahre), zu Knochen- und Gelenkschmerzen sowie Wachstumsverzögerungen führen. Diese Nebenwirkungen bilden sich zurück, nachdem die DFO-Dosis vermindert beziehungsweise individuell angepasst wurde.

Eltern sollten wissen: Wenn Hör-, Seh- oder Wachstumsstörungen frühzeitig erkannt werden, sind sie in der Regel gut beherrschbar und bilden sich vollständig zurück. Es ist daher sehr wichtig, dass bei Kindern und Jugendlichen, die dauerhaft DFO erhalten, in regelmäßigen Abständen die individuelle Eisenlast überprüft, der Wachstumsverlauf kontrolliert sowie ein Hör- und ein Sehtest durchgeführt werden.

Infektionen: Infektionen bei kommen bei DFO-Patienten nicht selten vor und werden meist durch den Erreger "Yersinia enterocolitica" verursacht. Das liegt daran, dass das Wachstum dieser Bakterien eisenabhängig ist und durch DFO verstärkt wird. Yersinien-Infektionen können bei Patienten mit Eisenüberladung sehr schwerwiegend verlaufen. Daher ist es wichtig, dass sie frühzeitig erkannt und behandelt werden.

Eltern sollten wissen: Anzeichen einer Yersinieninfektion sind vor allem Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Gelenkschmerzen, Halsschmerzen, Fieber. Bei Auftreten dieser Beschwerden sollte sofort der behandelnde Arzt informiert werden.

Der behandelnde Arzt wird dann die DFO-Therapie unterbrechen, bis die Beschwerden abgeklungen sind und eine ausreichende Behandlung mit Antibiotika erfolgt ist.

Anwendung von DFO in der Schwangerschaft: Es gibt noch nicht ausreichend Informationen über die Sicherheit von DFO während der Schwangerschaft. Experten empfehlen daher, dass Schwangere in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft nicht mit DFO behandelt werden sollten. Danach sollten die Gründe für eine DFO-Behandlung bei Schwangeren immer individuell und vorsichtig abgewogen werden. In der Stillzeit kann die DFO-Therapie wiederaufgenommen werden.