Symptome: Welche Krankheitszeichen haben Patienten mit einem Hereditären Angioödem (HAE)?
Autor: Julia Dobke, Zuletzt geändert: 07.12.2022 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e225323
Inhaltsverzeichnis
- Warnzeichen, die auf eine hereditäres Angioödem hinweisen können
- Vorzeichen, die auf eine kommende Schwellungsattacke hinweisen können
- Auslöser: Kann eine Schwellungsattacke durch äußere oder innere Faktoren ausgelöst werden?
- Krankheitszeichen der Haut und Schleimhaut
- Krankheitszeichen des Magen-Darmtrakts
- Krankheitszeichen der Luftwege
- Krankheitszeichen weiterer Organe
Warnzeichen, die auf eine hereditäres Angioödem hinweisen können
Bei Kindern können krampfartige Bauchschmerzen oder spontan auftretende teigige und teils schmerzhafte Schwellungen an Armen und Beinen auf ein HAE hinweisen, was dann neben anderen Ursachen abgeklärt werden muss. Wenn Stürze und kleinere Unfälle auffällige Schwellungen nach sich ziehen, sollte dies die Aufmerksamkeit der Eltern und Ärzte auf sich ziehen. Es könnte sich um die ersten Anzeichen für ein Hereditäres Angioödem (HAE) handeln.
Folgende drei Merkmale weisen auf die Erkrankung hin, wenn sie wiederholt auftreten:
- plötzliche Bauchschmerzen, teils mit Übelkeit und Erbrechen ohne erkennbare Ursache, insbesondere ohne Fieber und Durchfall
- Schwellungen an Armen und Beinen (spontan oder nach Stürzen oder Stößen),
- Schwellungen an Lippen, Hals oder im Gesicht (z. B. nach Zahndurchbruch oder Zahnbehandlung).
Vorzeichen, die auf eine kommende Schwellungsattacke hinweisen können
Unabhängig vom HAE-Typ (siehe: welche Arten von HAE gibt es?) sind die Symptome dieselben. Ein Teil der (älteren) Patienten berichtet von Zeichen, die den Schwellungen vorausgehen können (sogenannte Prodromi).
Hierzu können gehören:
- Müdigkeit
- Abgeschlagenheit
- Verstärktes Durstgefühl
- Aggressivität
- Depressive Verstimmung
- lokalisiertes Kribbeln oder Spannen der Haut vor Eintritt einer offen sichtbaren Schwellung
- Hautauschlag (ähnlich wie das sog. Erythema marginatum)
Auslöser: Kann eine Schwellungsattacke durch äußere oder innere Faktoren ausgelöst werden?
Die meisten Schwellungsattacken entstehen, ohne dass ein Auslöser erkennbar wäre. Zu den Faktoren, die eine Attacke auslösen, gehören in erster Linie Verletzungen wie Zahnoperationen, Entfernungen der Rachenmandeln (Adenotomie), Intubation sowie Druck auf Haut oder Schleimhaut.
Von Patienten werden auch psychische Stresssituationen und Infektionskrankheiten wie grippale Infekte oder Erkältungskrankheiten als Auslöser angegeben. Bei einem Teil der Mädchen und jungen Frauen können Menstruation und Eisprung (Ovulation) ebenfalls die Ödeme auslösen.
Die Neigung zu Ödemattacken kann massiv durch die Einnahme von ACE-Hemmern (Medikament zur Blutdrucksenkung) verstärkt werden. In gleicher Weise können sich die Anfälle bei Frauen, die östrogenhaltige hormonale Verhütungsmittel (Antikonzeptiva) einnehmen, häufen (BOR2003b). Bei progestinhaltigen Präparaten wird dies nicht beobachtet.
Krankheitszeichen der Haut und Schleimhaut
Die Schwellungen der Haut treten meist im Gesicht, an den Händen und Füßen sowie im Genitalbereich auf. Sie sind zumeist prall, seltener auch weich, nicht gerötet, sondern hautfarben oder blass. Die Schwellungen der Haut sind fast nie mit Juckreiz, sondern am ehesten mit einem Spannungsgefühl, seltener auch mit Schmerzen verbunden. Bei Schwellungen der Hände und Füße ist deren Funktion gestört.
Im ausgeprägten Stadium können sie sehr schmerzhaft sein. Sie bestehen durchschnittlich einen bis drei Tage, können sich jedoch bereits nach einigen Stunden oder erst nach sieben Tagen zurückbilden. Gesichtsschwellungen bestehen meist länger als Schwellungen der Extremitäten.
Lidödem am rechten Auge copyright@volker wahn
Schwellung der Hände copyright@volker wahn
Das Auftreten von Quaddeln, eine Urtikaria, gehört nicht zu diesem Krankheitsbild! Die Gabe von Antihistaminika, Adrenalin oder Kortison-haltigen Medikamenten führt nicht zu einer Besserung.
Krankheitszeichen des Magen-Darmtrakts
Die meisten Patienten entwickeln außer den Hautschwellungen auch Schwellungen der Wände des Magen-Darmtrakts (GOE1998; BOR2006). Am häufigsten treten krampfhafte, zum Teil sehr schmerzhafte Bauchschmerzen und Übelkeit auf. In der Folge kann es auch zu Brechreiz und Erbrechen kommen. Eine solche Episode dauert meist 2 - 7 Tage und führt fast immer auch zu einer vorübergehenden Bettlägerigkeit des Betroffenen.
Im Verlauf eines solchen Anfalls kommt es nicht selten zu einer begleitenden Ansammlung von Flüssigkeit im Bauchraum (Aszites), die sich wenige Tage später wieder vollkommen zurückbildet. Wässrige Durchfälle durch Flüssigkeitsansammlung im Inneren des angeschwollenen Darmes sind eher untypisch. Zusammen mit dem begleitenden Aszites können sie zu einem erheblichen Flüssigkeitsverlust im Kreislaufsystem führen und damit in seltenen Fällen bis hin zum Kreislaufschock führen (BOR2006).
Bei einigen Patienten treten die Probleme im Bauchraum auch ohne Hautsymptome auf. Manchmal gehen sie dem Beginn der Hautsymptome um Jahre voraus, was aufgrund der heftigen Schmerzen gelegentlich dazu führt, dass unnötige operative Eingriffe (explorative Laparotomien) aufgrund eines vermuteten "akuten Abdomens" bzw. einer Blinddarmentzündung vorgenommen wurden. Kenntnisreiche Ärzte führen daher in solchen Fällen eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes durch, mit der man dann die ödematös verdickten Darmwände feststellen kann. Man muss aber gezielt danach suchen. Bei dieser Ultraschalluntersuchung können meist andere Bauchschmerzursachen wie Blinddarmentzündung oder Einstülpung des Darms (Invagination) ausgeschlossen werden.
Krankheitszeichen der Luftwege
Akute Schwellungen im Bereich des Kehlkopfs (Larynxödem und supraglottisches Ödem) kommen deutlich seltener vor, sind aber wesentlich gefährlicher als die anderen genannten Symptome. Am häufigsten betroffen sind junge Erwachsene, aber auch Kinder und Jugendliche können eine Kehlkopfschwellung entwickeln. [BOR2003a]. Erste Anzeichen sind Schluckbeschwerden, Heiserkeit, Unruhe und Angst. Nimmt die Schwellung zu, kommt es zu Hustenreiz, Heiserkeit, pfeifenden Atemgeräuschen bei der Einatmung (Stridor) und Atemnot bis hin zum Ersticken.
Todesfälle durch Erstickung kommen immer wieder vor [BOR2000a]. Oft betreffen sie Patienten, deren Erkrankung noch nicht diagnostiziert wurde.
Einige dieser Erstickungsanfälle wurden durch externe Ursachen ausgelöst. Dies können Zahnoperationen, Unfälle mit Beteiligung der Mundhöhle oder die operative Entfernung der Rachenmandeln (Tonsillektomie) sein. Patienten mit Gesichtsschwellungen haben ein erhöhtes Risiko, dass die Schwellung auf den Kehlkopf übergreift.
Krankheitszeichen weiterer Organe
Zahlreiche weitere Organe können in selteneren Fällen von den Schwellungsattacken betroffen sein, unter anderem der Rachen mit dem weichen Gaumen und dem Zäpfchen sowie die Zunge (BOR2006). Schwellungen der ableitenden Harnwege oder von Penis/Hoden können eine Infektion vorspiegeln.