Krankheitsbild: Was ist ein hereditäres Angioödem?

Redaktion:  Ingrid Grüneberg, Zuletzt geändert: 14.07.2020 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e225301

Das hereditäre Angioödem ist eine seltene, aber schwerwiegende Erkrankung, die mit nicht juckenden Schwellungsattacken einhergeht, in der Regel ohne Nesselfieber (Urticaria). Sie kann durch eine genetische Veränderung bei den Patienten selbst entstehen oder wird in der Mehrzahl der Fälle von den Eltern (Mutter oder Vater) auf die Kinder vererbt (hereditär). Ist ein Elternteil betroffen, so besteht eine 50 prozentige Wahrscheinlichkeit, dass auch das Kind erkrankt.

Bei jedem vierten Patienten tritt die Veränderung der Erbanlage spontan auf, das heißt ohne dass zuvor Krankheitsfälle in der Familie bekannt geworden sind. In diesem Fall spricht man von einer "Neu-Mutation".

Jeder Träger der Erbanlage kann die Krankheitsanzeichen (Symptome) von HAE entwickeln. Fachleute bezeichnen diesen Erbgang als „dominant“. Eine verdeckte Form, die bei der Vererbung eine Generation überspringen kann, gibt es nicht. Erste Krankheitszeichen treten am häufigsten in den ersten 10 Lebensjahren auf, seltener erst in der späten Kindheit, Jugend oder dem frühen Erwachsenenalter.

Die Ursache liegt in einem Mangel oder der fehlenden Funktion des C1-Hemmstoffes (C1-Inhibitors), der eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Komplement- und Kinin-Systems spielt. Das Komplement-System besteht aus mehr als 20 verschiedenen Eiweißen (Proteinen), die eine wichtige Rolle bei der Aktivierung des Abwehrsystems spielen. Das Kinin-System besteht aus verschiedenen Blut-Eiweißen, die zahlreiche Prozesse und Reaktionen im Körper beeinflussen, wie zum Beispiel Entzündung, Gerinnung, Blutdruckkontrolle und Schmerzen. Wenn dieser Hemmstoff seine Funktion nicht erfüllen kann, so kommt es zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Blutgefäße für Blutflüssigkeit, die sich dann im umliegenden Gewebe einlagert und Schwellungen (Ödeme) bildet.

Am häufigsten bilden sich diese nicht juckenden Schwellungen unter der Haut (bevorzugt im Gesicht, an Händen und Füßen, im Genitalbereich) und im Magen-Darm-Trakt mit der Folge von krampfhaften Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen.

In den oberen Luftwegen, wie am Kehlkopf, treten Angioödeme mit der Gefahr von Luftnot und Erstickungsanfällen auf. Ein Ödem des Kehlkopfes (Larynxödem) ist die häufigste Todesursache bei Patienten mit HAE.

Die Häufigkeit (Frequenz) der Schwellungsattacken variiert beträchtlich von Patient zu Patient, sie reicht von fast keinen Attacken bis zu regelmäßigen Attacken im Abstand von wenigen Tagen. Auch innerhalb derselben Familie sind Patienten mit demselben Gendefekt oft unterschiedlich stark betroffen.