Ursachen: Wie entstehen Eisenstoffwechselstörungen?

Autor:  Dr. med. habil. Gesche Tallen, Zuletzt geändert: 04.05.2022 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e245232

Eisenstoffwechselstörungen liegen unterschiedliche Ursachen zugrunde, die entweder zum Eisenmangel oder zur Eisenüberladung führen. Sie treten auf als Folge einer gestörten

  • Eisenaufnahme (aus der Nahrung)
  • Eisenverteilung (im menschlichen Körper)
  • Eisenverwertung (für die verschiedenen Organsysteme)
  • Eisenspeicherung (in den verschiedenen Organsystemen).

Der gesunde Eisenstoffwechsel sowie die Ursachen für solche Störungen und deren Folgen für den menschlichen Körper werden beschrieben unter Ursachen der Eisenmangelanämie.

Ursachen für Eisenüberladung

Eisenüberladung und dessen Folgen entstehen aufgrund einer erhöhten Aufnahme im oberen Dünndarm. Der menschliche Körper hat keine eigenen Mechanismen, die dabei helfen, überschüssiges Eisen auszuscheiden. In der Folge kommt es zu Eisenablagerungen und dadurch zu Gewebeschäden in zahlreichen Organen (siehe „Krankheitszeichen“). Diese Ausprägung einer Eisenüberladung wird auch als Eisenspeicherkrankheit bezeichnet (Hämochromatose). Man unterscheidet primäre, also angeborene (hereditäre) Hämochromatosen von sekundären, erworbenen Hämochromatosen.

Ursachen der primären Eisenüberladung (angeborene Hämochromatose)

Primäre Formen der Eisenüberladung beruhen auf genetisch bedingten Störungen im Eisenstoffwechsel, die im Folgenden zusammengefasst sind:

Angeborene Eisenspeicherkrankheit - Hereditäre Hämochromatose Typ 1

Eine typische Form der Eisenüberladung ist die angeborene Eisenspeicherkrankheit (hereditäre Hämochromatose). Die Erkrankung beruht auf Defekten (Mutationen) des so genannten HFE-Gens. Dieses Gen liegt auf dem Chromosom 6. „HFE“ ist die Abkürzung für „high Fe“ („high: englisch für „hoch/hohe Konzentration; „Fe“: chemisches Symbol für „Ferrum“- lateinisch für „Eisen“).

Das HFE-Gen kodiert für ein Eiweiß (Protein), das so genannte „Hereditäre-Hämochromatose-Protein“, welches spezifisch die Eisenaufnahme in die Körperzellen reguliert, indem es die Zusammenarbeit zwischen Transporteisen (Transferrin) und dem Eisenrezeptor in menschlichen Zellen („Transferrinrezeptor, TfR1“) kontrolliert. Bei einer Mutation des HFE-Gens wird ein abnormales HFE-Protein gebildet, welches nicht richtig funktioniert.

Bei den Betroffenen gerät daraufhin die Eisenaufnahme im Dünndarm außer Kontrolle, was dazu führt, dass zu viel Eisen in den Organismus gelangt. Allerdings sind die Details zu den Vorgängen, über die HFE-Gendefekte eine Eisenüberladung verursachen, noch nicht endgültig geklärt. Man geht derzeit bei etwa 10 % der Patienten mit Hämochromatose davon aus, dass es noch weitere auslösende Faktoren für die Erkrankung gibt.

Die hereditäre Hämochromatose wird autosomal-rezessiv vererbt. Das bedeutet, dass die Krankheit nur dann auftritt, wenn die HFE-Mutation sowohl von der Mutter als auch vom Vater weitervererbt wurde. Gibt nur ein Elternteil das Merkmal weiter, so handelt es sich bei den Nachkommen um so genannte Merkmalsträger. Mehr zum autosomal-rezessiven und zu anderen Erbgängen hier.

HFE-Mutationen und damit in Verbindung stehende Krankheitsbilder

C282Y-Mutation

  • bei etwa 90 % der Hämochromatose-Patienten auf dem Chromosom 6 nachweisbar
  • führt zum Austausch einer Aminosäure im HFE-Protein und in der Folge zur gesteigerten Eisenaufnahme (Resorption) im Dünndarm und dadurch zur Eisenüberladung mit Gewebeschädigung in verschiedenen Organen (siehe „Krankheitszeichen“).

H63D-Mutation

  • bei ca. 5 % der Patienten zusätzlich zur C282Y-Mutation auf dem Chromosom 6 nachweisbar
  • ist verantwortlich für das so genannte, seltene H63D-Syndrom, das hauptsächlich durch neurologische Störungen bei den Betroffenen gekennzeichnet ist.

Die Hämochromatose vom Typ 1, die sich bei Erwachsenen ausprägen kann, wenn diese zwei Kopien des veränderten HFE-Gens tragen, bleibt bei Kindern und Jugendlichen aufgrund deren erhöhten Eisenbedarfs ohne Symptome und verursacht während der ersten beiden Lebensjahrzehnte keine Organschäden. Aus diesem Grund ist eine Gentestung auf diese Merkmale bei Kindern und Jugendlichen nicht angezeigt und vom Gesetzgeber nur in Sondersituationen gestattet (Stichwort „Recht auf Nichtwissen“ bei Genfehlern).

Im Gegensatz zu der bei Erwachsenen häufigen Hämochromatose, Typ I, prägt sich die juvenile Hämochromatose (juvenil bedeutet „heranwachsend, jugendlich“) im Kindes- und Jugendalter aus. Die juvenile Hämochromatose kann unerkannt zu lebensbedrohlichen Organschäden wie zum Beispiel Herzinsuffizienz führen. Genetische Erkrankungen, die schon im Kindes- und Jugendalter eine relevante Eisenüberladung verursachen, sind selten (Tabelle 1).

Erkrankung
*Beginn der Symptome
Betroffenes Chromosom: Mutation
*Vererbungsgang
Nicht funktionierendes Eiweiß -
*resultierende Störung im Eisenstoffwechsel
Juvenile Hämochromatose (Hämochromatose Typ 2)
*Kindes- und Jugendalter sowie Adoleszenten und junge Erwachsene) (< 30. Lebensjahr)
- Chromosom 1 (Typ 2A): Hämojuvelin-Gen
- Chromosom 19 (Typ 2B): Hepicidin-Gen
*autosomal-rezessiv
-Hämojuvelin
-Hepcidin
*übermäßige Aufnahme von Eisen aus dem Darm und vermehrte Eisenablagerungen in Organen (besonders Leber, Herz und Hormondrüsen)
Hämochromatose Typ 3 *
*Adoleszenz und Erwachsenenalter
Chromosom 7: TrfR-Gen
*autosomal-rezessiv
Transferrinrezeptor
*übermäßige Aufnahme von Eisen aus dem Darm und vermehrte Eisenablagerungen in Organen (besonders Leber, Herz und Hormondrüsen)
Hämochromatose Typ 4 (so genannte Ferroportin-Krankheit)
*alle Altersgruppen
(B-Form besonders im Kindesalter)
Chromosom 2: SLC11A3-Gen
*autosomal-dominant
-Ferroportin
*A-Form: Eisen kann nicht aus Zellen heraustransportiert werden - übermäßige Eisenspeicherung im Inneren der Körperzellen
B-Form: Zellen reagieren nicht auf Hepcidin – übermässige Eisenaufnahme und Speicherung in Organen
Sideroblastische Anämie
(sekundäre Eisenüberladung)
*alle Altersgruppen
X-Chromosom: ALAS2-Gen
*X-chromosomale Vererbung
'Delta-Aminolaevulinsäure-Synthetase
*Eisenüberladung in den Vorstufen der roten Blutkörperchen (Erythroblasten): Blutarmut

Internationale Register und Biobanken auf orpha.net

Auf www.orpha.net finden Sie Angaben zu internationalen und nationalen Registern und Biobanken bei seltenen Stoffwechselstörungen. Wenn Sie auf der Webseite unter dem Suchbegriff den Krankheitsnamen wie juvenile Hämochromatose eingeben, so erhalten Sie die entsprechenden Ergebnisse.

Ursachen der sekundären Eisenüberladung

Neben der angeborenen Hämochromatose können andere, sowohl angeborene als auch erworbene Erkrankungen zu einer chronischen Eisenüberladung führen. Zu diesen gehören insbesondere:

Angeborene Anämien

Bei Kindern und Jugendlichen mit einer angeborenen Anämie, wie beispielsweise der Thalassämie kann es vor allem durch die regelmäßigen Bluttransfusionen zu einer sekundären Eisenüberladung kommen.

Aber auch Patienten, die an einer angeborenen Anämie ohne Transfusionsbedürftigkeit leiden, können über eine gesteigerte Eisenaufnahme aus dem Darm eine Eisenüberladung entwickeln. Insbesondere Anämien mit ineffektiver Erythropoese wie die Thalassaemia intermedia, die kongenitale dyserythropoetische Anämie oder die sideroblastischen Anämien können eine stark gesteigerte Eisenaufnahme aus dem Darm verursachen.

Hepatitis (Gelbsucht)

Bei einer schweren Entzündung der Leber (Hepatitis) ist der Abbau von Häm-Eiweißen und die Regulation des Eisenstoffwechsels oft gestört, was zur gesteigerten Ablagerung von Eisen in verschiedenen Körpergeweben führt.

Neugeborenen- (neonatale) Hämochromatose

Die häufigste Ursache des Leberversagens beim Ungeborenen beziehungsweise Neugeborenen sind Antikörper der Mutter, die auf das Kind übertragen werden und sich gegen bestimmte Eiweiße auf den Leberzellen des Fetus/Neugeborenen richten. Dadurch entsteht eine schwere Entzündung der Leber (Hepatitis) und Rückstau von Galleflüssigkeit, die schon vor (in utero) oder kurz nach der Geburt zu Leberversagen und Tod führen kann. Eine Folge des Leberversagens ist auch eine Eisenüberladung, die der Krankheit den Namen gegeben hat. Wie es zur Bildung dieser Antikörper der Mutter kommt, ist derzeit noch Gegenstand der Forschung. Wichtig ist, dass durch geeignete Maßnahmen das Risiko, dass dieselbe Krankheit auch bei nachfolgenden Schwangerschaften auftritt, verringert werden kann. (siehe Kapitel „Therapie“)