Krankheitsbild: Was ist eine Erythrozytose?

Autor:  Prof. Dr. med. Holger Cario, Zuletzt geändert: 20.04.2022 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e244446

Alle Blutzellen, die im Blut eines Menschen vorkommen, entstehen aus den blutbildenden Stammzellen des Knochenmarks. Man unterscheidet zwischen roten Blutzellen (Erythrozyten), Blutplättchen (Thrombozyten) und der Gruppe der weißen Blutzellen (Leukozyten). Erythrozytosen sind mengenmäßige (quantitative) Störungen bei der Bildung der roten Blutzellen.

Die Bestimmung, ob eine Erythrozytose vorliegt, erfolgt über folgende Blutparameter:

  • die Erythrozytenzahl entspricht der Anzahl roter Blutkörperchen pro Mikroliter (µl) Blut; 1 Mikroliter entspricht einem millionstel Liter,
  • den roten Blutfarbstoff (Hämoglobin), meist mit Hb-Gehalt abgekürzt, entspricht der Menge des roten Blutfarbstoffes pro Zehntelliter (dL) oder Liter (L) Blut,
  • der Hämatokrit, abgekürzt Hkt, entspricht dem prozentualen Anteil der Blutzellen am Gesamtblutvolumen. Die Erythrozyten machen mit durchschnittlich 96 Prozent den größten Anteil der Blutzellen aus. Deswegen kann der Hkt zur Beurteilung der Erythrozytenzahl genutzt werden.

Der Begriff der „Erythrozytose“ (auch als Polyzythämie oder Polyglobulie bezeichnet) steht für eine Erhöhung der Erythrozyten-Anzahl, des Hämoglobingehaltes und des Hämatokrits auf Werte oberhalb des altersentsprechenden Normbereichs (Referenzbereich).

Es gibt drei verschiedene Formen einer Erythrozytose:

  1. Absolute Erythrozytose: Sie ist durch eine Erhöhung der Masse der Erythrozyten im Blut gekennzeichnet.
  2. Relative Erythrozytose: Hier liegt eine normale Erythrozytenmasse vor, allerdings ist das Volumen des Blutplasmas, in dem sich die Erythrozyten in der Blutbahn aufhalten, vermindert. In der Folge wird das Blut „dicker“, das heißt die Konzentration der Erythrozyten in einem Mikroliter Blutplasma hat sich erhöht. Mit anderen Worten: Nur das Volumen des Blutplasmas hat sich verringert, nicht aber die Anzahl der roten Blutzellen, die sich darin befinden. Dies führt zu einer Erhöhung der oben genannten Blutparameter (Erythrozyten.-Anzahl pro µl, Hb-Gehalt, Hkt). Eine solche Erhöhung tritt beispielsweise bei schweren Flüssigkeitsverlusten im Rahmen einer Magen-Darm-Infektion (Gastroenteritis) auf oder beim fehlerhaften Gebrauch von Entwässerungstabletten (Diuretika), denn dadurch verliert der Körper zu viel Flüssigkeit.
  3. Scheinbare Erythrozytose: Bei der scheinbaren Erythrozytose addieren sich dagegen zwei Effekte: Einerseits kommt es zu einem eigentlich noch normalen Anstieg der Gesamtzahl an Erythrozyten im Blut. Andererseits kommt es gleichzeitig zu einer eigentlich noch normalen Verringerung des Blutplasmas. So ergibt sich eine Erhöhung der oben genannten Blutparameter (Erythrozyten-Anzahl pro µl, Hb-Gehalt, Hkt), ohne dass die Verschiebungen der Erythrozytenanzahl und des Plasmavolumens, jeweils für sich genommen, wirklich Ausdruck krankhafter Veränderungen sind.