Diagnose: Wie wird eine Erythrozytose festgestellt?

Autor:  Prof. Dr. med. Holger Cario, Zuletzt geändert: 20.04.2022 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e244514

Vermutet der Arzt aufgrund der Krankheitsgeschichte (Anamnese‎) und nach körperlicher Untersuchung des Patienten eine Erythrozytose‎, so sind folgende weiterführende Untersuchungen angezeigt:

Untersuchung von Blut aus einer Körpervene

  • Zählung der Blutzellen aus dem peripheren Blut (Blutbild)
  • Bestimmung klinisch-chemischer Parameter aus dem Blut (zum Beispiel Serum-Erythropoetin (EPO), Blutgas-Analyse, Mangan-Spiegel)
  • Hämatologische Spezialdiagnostik (zum Beispiel Hämoglobinanalyse)

Untersuchungen zum Ausschluss chronischer Herz-, Lungen-, Nieren- und Lebererkrankungen als mögliche Ursache einer sekundären Erythrozytose

Untersuchung des Erbmaterials (Genetik) in Zellen des peripheren Blutes

  • Untersuchung bezüglich somatischer (erworbener) Veränderungen bei Verdacht auf beziehungsweise zum Ausschluss einer Polycythaemia vera (JAK2, CALR)
  • Untersuchung bezüglich angeborener (kongenitaler) Veränderungen (zum Beispiel EPOR, VHL, EPAS1, EGLN1, EPO)

Evtentuell Untersuchung des Knochenmarks

  • Zählung der Zellen plus Beurteilung von Aussehen, Reifegrad und anderen Eigenschaften der Blutzellen,
  • allgemeiner Aufbau des Knochenmarkes, Verteilung der verschiedenen Zellreihen (Knochenmark-Histologie)

Diagnostische schrittweise Verfahren (Algorithmus)

Anhand der Untersuchungen soll

  1. das Ausmaß der Erythrozytose beschrieben werden

In der Regel kann bei einem solchen Vorgehen bei Kindern und Jugendlichen zumindest zu Beginn auf die Durchführung einer Knochenmark-Diagnostik verzichtet werden.

Diagnosekriterien der Polycythaemia vera (laut WHO 2016)

Die Diagnose PV gilt als gesichert, wenn alle drei Hauptkriterien oder die ersten beiden Hauptkriterien und das Nebenkriterium erfüllt sind.

Hauptkriterien

  • Hämoglobin größer 16,5 g/dl bei Männern, größer 16,0 g/dl bei Frauen oder Hämatokrit größer 49 Prozent bei Männern, größer 48 Prozent bei Frauen
  • Erhöhte Zellzahlen mit gesteigerter Neubildung von Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten mit einer vielgestaltigen Ausbildung der Thrombozytenvorläufer (Megakariozyten))
  • Nachweis der JAK2V617F-Mutation oder einer anderen funktionell ähnlichen Mutation (zum Beispiel Mutation im Exon 12 des JAK2-Gens)

Nebenkriterium

Gemäß Onkopedia-Leitlinie 2021 (Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie-DGHO) wird empfohlen: Bei Fällen mit anhaltender Erythrozytose (Männer: Hämoglobin größer 18,5 g/dl oder Hämatokrit größer 55,5 Prozent, Frauen: Hämoglobin größer 16,5 g/dl oder Hämatokrit größer 49,5 Prozent) ist der Verzicht auf eine Knochenmarkbiopsie zur Diagnosestellung möglich, wenn eine JAK2-Mutation (Hauptkriterium 3) nachgewiesen wurde und der Erythropoetin-Spiegel (Nebenkriterium) erniedrigt ist.