Probleme durch die Unbeweglichkeit der Sichelzellen

Zuletzt geändert: 09.01.2019 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e129244

Folgende Beschwerden von Patienten mit Sichelzellkrankheit können Anzeichen für schwere Komplikationen sein. Daher sollte umgehend ein Arzt aufgesucht werden bei folgenden Anzeichen:

  • Körpertemperatur über 38.5 °C
  • Blässe, Schlappheit
  • Brustschmerzen
  • Kurzatmigkeit
  • Gelenkschmerzen
  • aufgeblähtem Bauch/Bauchschmerzen
  • tastbarer, vergrößerter Milz
  • plötzlich auftretende sehr gelbe Augen
  • sehr dunkler Urin
  • Kopfschmerzen, Schwindel, Lähmungen, Gefühlsstörungen
  • anhaltender schmerzhafter Penisversteifung (Priapismus)

Schädigung des Skelettsystems

Patienten mit Sichelzellerkrankung haben immer wiederkehrende, oft sehr starke Schmerzen (Schmerzkrisen). Das kommt dadurch, dass die sichelzellförmigen Erythrozyten kleine Blutgefäße verstopfen, weil sie so unflexibel sind. Durch diese Gefäßverschlüsse wird die Blutversorgung vieler Organe blockiert, so dass dort Sauerstoffmangel auftritt und die Patienten dadurch Schmerzen erleiden. Besonders häufig ist das Knochenmark von solchen Gefäßverschlüssen betroffen. Bei kleinen Kindern führt dies typischerweise zu Schmerzen, Rötungen und Schwellungen der Hände und Füße (Hand-Fuß-Syndrom). Das Hand-Fuß-Syndrom ist oft erstes Anzeichen für das Vorliegen einer Sichelzellkrankheit. Es verschwindet normalerweise nach einigen Tagen.

Es kann jedoch auch zum Absterben von Gewebe in Gelenken oder Knochen kommen, wenn deren Blutversorgung durch angehäufte Sichelzellen komplett blockiert ist (avaskuläre Knochennekrose). Besonders gefährdete Gelenke sind dabei die Hüftgelenke (Kopf des Oberschenkelknochens) und die Schultergelenke (Kopf des Oberarmknochens).

Schmerzkrisen werden bei Sichelzellpatienten häufig durch Wetterumschwünge, Flüssigkeitsmangel, fieberhafte Infekte und auch durch starke Erschöpfung ausgelöst. In der Regel erleiden ältere Patienten häufiger und auch schwerere Schmerzkrisen als Kinder. Aus noch unbekannten Gründen halten Schmerzepisoden bei manchen Patienten nur kurze Zeit an, während bei anderen oft lange Krankenhausaufenthalte zur medikamentösen Schmerztherapie notwendig sind.

Schädigung des Herz-Kreislauf-Systems

Das so genannte akute Thoraxsyndrom entsteht, wenn Sichelzellen Blutgefäße in den Lungen verstopfen. Es ist, wie die Milzsequestrationskrise, eine der häufigsten Todesursachen bei Sichelzellpatienten und entsteht oft infolge einer Schmerzkrise. Bei Patienten mit der Sichelzellkrankheit HbSS kommt es häufiger vor als bei den anderen Formen der Sichelzellkrankheit. Die Anzeichen gleichen denen einer Lungenentzündung: Die betroffenen Kinder haben Fieber, Husten, Atembeschwerden und starke Schmerzen im Brustkorb, besonders beim Atmen. Nach mehrfach aufgetretenem akuten Thoraxsyndrom kann es zu fortbestehenden Schädigungen der Lungen kommen. Bei Anzeichen eines akuten Thoraxsyndroms muss das Kind sofort ins Krankenhaus gebracht werden. Regelmäßige Atemgymnastik und -therapie (beispielsweise mittels Spirometrie) helfen, dem akuten Thoraxsyndrom vorzubeugen.

Schädigung des Zentralnervensystems (ZNS)

Über sehr komplizierte Mechanismen kommt es bei der Sichelzellkrankheit auch zur Verengung und sogar zu Verschlüssen von großen Blutgefäßen, u.a. im Gehirn. Allerdings kündigen sich diese Schlaganfälle meist an. Risiko-Patienten können durch eine besondere Form des Ultraschalls (so genannte transkranielle Doppler-Sonographie) identifiziert und daraufhin mit regelmäßigen Transfusionen und medikamentös vor Schlaganfällen geschützt werden (siehe: Diagnose und Behandlung). Schlaganfälle treten bevorzugt bei kleinen Kindern mit SCD-S/S-Krankheit auf. Typische Anzeichen für einen Schlaganfall sind zum Beispiel plötzlich auftretende Kopfschmerzen, plötzliche Taubheits- oder Schwächegefühle einer Gesichtshälfte, eines Arms oder Beins oder auch im ganzen Körper, Sprachstörungen, Bewusstseinsveränderungen oder auch ein Krampfanfall [siehe Krampfanfälle]. Abhängig davon, welche Gehirnregion betroffen ist, kann ein Schlaganfall unterschiedlich schwere Folgen haben. Deshalb muss bei Auftreten von einem oder mehreren der oben genannten Anzeichen sofort ein Arzt gerufen werden.

Schädigung des körpereigenen Abwehrsystems - Milzuntergang und häufige Infektionen.

Die Milz ist ein Organ, das zum körpereigenen Abwehrsystem gehört. Sie wird bei Menschen mit einer Sichelzellkrankheit meist sehr frühzeitig geschädigt, so dass ein erhöhtes Risiko für bestimmte, teilweise lebensbedrohliche Infektionen besteht. Besonders gefährlich sind Pneumokokken und Meningokokken. Kinder unter fünf Jahren müssen daher täglich Penicillin zum Schutz vor solchen Infektionen einnehmen. Außerdem müssen alle Sichelzell-Patienten regelmäßig geimpft werden.

Für Kinder mit Sichelzellkrankheit gilt: Jede fieberhafte Infektion ist ein Notfall! Bei Temperaturen über 38,5°C muss deshalb sofort ein Arzt aufgesucht werden. Kleine Kinder (unter 5 Jahren) müssen in der Regel zur stationären Überwachung und antibiotischen Behandlung aufgenommen werden.

Schädigung der Haut

Die unflexiblen Sichelzellen können auch die Blutgefäße der Haut verstopfen, so dass diese insbesondere an den Beinen nur unzureichend Nährstoffe erhält. So kommt es zu schmerzhaften offenen Stellen an den Beinen. Solche Geschwüre benötigen eine frühe, fachgerechte Behandlung, damit sie komplett abheilen. Daher sollten die Beine von Kindern und Jugendlichen mit Sichelzellkrankheit regelmäßig im Hinblick auf offene Stellen oder nicht heilende Wunden untersucht werden.

Schädigung der Augen.

Wenn Sichelzellen winzige Blutgefäße in der Netzhaut des Auges verstopfen, kommt es zu Einblutungen und auch zu Gewebeuntergang und Narbenbildung im hinteren Abschnitt des Auges. Da die Netzhaut (Retina) eines der wichtigsten Organe für unser Sehen ist, kann ihre Schädigung von milden Sehstörungen bis hin zur völligen Erblindung führen. Um dieser Komplikation vorzubeugen, sollten Patienten mit Sichelzellkrankheit regelmäßig von einem Augenarzt untersucht werden. Dieser kann frühzeitig verdächtige Veränderungen erkennen und eine entsprechende Behandlung einleiten. Dies gilt insbesondere für Patienten mit HbSC, die ein deutlich höheres Risiko für die Schädigung der Augen haben als alle anderen Sichelzell-Patienten.