Welche Arten von infantilen Hämangiomen gibt es?

Autor:  Prof. Dr. med. J. Rößler, Dr. med. Tobias Däbritz, Zuletzt geändert: 03.12.2025 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e278231

Infantile, also im Säuglingsalter auftretende, Hämangiome treten typischerweise in den ersten Tagen oder Wochen nach der Geburt auf und zeigen einen charakteristischen Verlauf. Es gibt Vorläufer-Formen, zum Beispiel umschriebene (begrenzte) Teleangiektasien (das sind erweiterte Blutgefäße unter der Haut) sowie blutarme, rötliche oder bläuliche Flecken

Abhängig vom Ort ihres Auftretens erfolgt eine Einteilung in oberflächliche (kutane), tiefe (subkutane) oder gemischte (kutane/subkutane) infantile Hämangiome (siehe Folgekapitel „Lokalisierte infantile Hämangiome“).

Tiefe infantile Hämangiome werden häufig erst im Laufe des frühen Säuglingsalters mit 2-3 Monaten oder später wahrgenommen und können als bläuliche Schwellung auftreten. Zumeist kommt es innerhalb der ersten 3 Lebensmonate zu einer deutlichen Größenzunahme. Bereits 80 % des gesamten Größenwachstums ist am Ende des 3. Lebensmonats vollendet. Selten kommt es zu einer Größenzunahme bis hin zum 24. Lebensmonat.

Wichtig zu wissen: Ein infantiles Hämangiom durchläuft drei Stadien: eine Wachstums-, Stillstands- und Rückbildungsphase.

  1. Wachstumsphase: Die erste Phase dauert sechs bis neun Monate
  2. Stillstand des Wachstums: Seine Größe verändert sich nicht mehr
  3. Rückbildungsphase: Meist um das 9. Lebensjahr ist die Rückbildung abgeschlossen. In 70 % der infantilen Hämangiome verbleiben nach abgeschlossener Rückbildung Restbefunde der Haut wie verblasste Blutgefäße, eine schlaffe Haut oder eine Bindegewebsvermehrung.

Lokalisierte infantile Hämangiome

90 % aller infantilen Hämangiome sind lokalisiert. Das heißt, sie wachsen scharf begrenzt und gehen von einem zentralen Punkt aus.

Die lokalisierten infantilen Hämangiome werden eingeteilt in:

  • kutane infantile Hämangiome, die flach (im Hautniveau) oder erhaben sein können
  • subkutane infantile Hämangiome, die unter der Haut liegen
  • kombiniert kutan und subkutan auftretende infantile Hämangiome

Infantilen Hämangiome sind häufig bei der Geburt noch nicht vorhanden, fallen jedoch als kleiner roter Punkt bei der Vorsorgeuntersuchung U2 oder U3 (siehe Gelbes Heft) auf. Das Wachstumsverhalten ist unterschiedlich. Manche infantilen Hämangiome zeigen über Wochen und Monate kaum wahrnehmbare Größenveränderungen, andere nehmen schnell enorme Ausmaße an. Die Mehrzahl der infantilen Hämangiome (60 %) befindet sich im Kopf- und Halsbereich.

Segmentale infantile Hämangiome

Seltener als lokalisierte infantile Hämangiome sind die segmentalen Hämangiome mit flächiger Ausdehnung in bestimmten Körperregionen. Sie können sowohl im Bereich des Kopfes und der Arme als auch im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Steißbeins vorkommen.

Im Gegensatz zu den lokalisierten infantilen Hämangiomen sind die segmentalen Formen in der Regel größenmäßig ausgedehnter. Auch gehen sie häufiger mit Gefäß- oder Fehlbildungen einzelner Organe einher. Charakteristisch für segmentale infantile Hämangiome sind somit ihre flächige Ausdehnung und ihr Bezug zu einem bestimmten Körpersegment. Sie sind bei Geburt häufig kaum sichtbar, können aber schnell an Farbintensität zunehmen. und bereiten dann häufig gesundheitliche Probleme.

Segmentale infantile Hämangiome können im Zusammenhang mit anderen Fehl-bildungen (Syndrom) auftreten:

  • Beim so genannten „PHACES-Syndrom" handelt es sich um ein segmentales infantiles Hämangiom in der Gesichts- und Schulterregion. Dieses Hämangiom kann mit Fehlbildungen des Brustbeins, der Hauptschlagader oder anderen Blutgefäßen sowie mit Herzfehlern, Veränderungen im Augenbereich und zystischen Erweiterung der Hirnwasserräume (Hirnventrikel) einhergehen (so genannte Dandy-Walker-Variante).
  • Beim „PELVIS-, SAKRAL- oder LUMBAR-Syndrom" geht ein segmentales infantiles Hämangiom im Dammbereich mit Fehlbildungen der Blase, der Niere, der Knochen, der Blutgefäße, des Rückenmarks und seiner Häute, des Afters sowie mit Hautanhängseln einher.

Leberhämangiome

Hämangiome der Leber werden in Abhängigkeit von ihrer Anzahl in einzeln (fokal), mehrfach (multifokal) und nicht deutlich zuordenbar (diffus) eingeteilt.

Fokale Hämangiome

Fokale Leberhämangiome gleichen in ihren Eigenschaften angeborenen (kongenitalen) Hämangiomen mit schneller Rückbildung (Rapid Involuting Congenital Hemangioma = RICH) oder ausbleibender Rückbildung (Non involuting congenital hemangioma = NICH) (Siehe auch: „Abschnitt Angeborene/kongenitale Hämangiome"). Ein Wachstum erfolgt vor Geburt, so dass 30 % der fokalen Leberhämangiome bereits während der Schwangerschaft im Rahmen der Feindiagnostik auffällig werden. Nach der Geburt erfolgt keine Größenzunahme. Begleitende Hämangiome der Haut werden nur in 15 % beobachtet.

Multifokale und diffuse Leberhämangiome

Multifokale und diffuse Leberhämangiome dagegen sind klassische infantile Hämangiome und bei Geburt noch nicht vollständig ausgebildet. Sie wachsen meist innerhalb der ersten zwölf Lebensmonate und bilden sich an-schließend innerhalb der ersten fünf Lebensjahre wieder zurück.

Hämangiomatose

Von einer Hämangiomatose spricht man, wenn fünf oder mehr infantile Hämangiome bei einem Patienten auftreten. Säuglinge mit fünf oder mehr infantilen Hämangiomen können in bis zu 16 % der Fälle ein höheres Risiko für Leberhämangiome, seltener für Hämangiome der Milz, haben. Um diese auszuschließen, sollte ein Ultraschall des Bauches erfolgen (Abdomen-Sonographie).

Angeborene (kongenitale) Hämangiome

Wichtig zu wissen: Angeborene Hämangiome unterscheiden sich von den infantilen Hämangiomen. Sie bestehen schon vor der Geburt.

Anders als klassische infantile Hämangiome sind angeborene (kongenitale) Hä-mangiome nach der Geburt bereits voll ausgebildet und zeigen anschließend keine weitere Größenzunahme. Ihr Aussehen kann dem des infantilen Hämangioms ähneln.

Abhängig von ihrem Verlauf werden die im Folgenden genannten Arten von an-geborenen Hämangiomen unterschieden:

  • “Rapid Involuting Congenital Hemangioma (RICH)": Diese Formen sind bei der Geburt bereits vollständig entwickelt und bilden sich schnell (engl. "rapid"), das heißt in der Regel innerhalb der ersten 14 Lebensmonate, voll-ständig zurück (engl. für zurückbildend: "involuting").
  • “Non Involuting Congenital Hemangioma (NICH)”: Diese Formen bilden sich nicht von selbst zurück, zeigen aber auch kein Wachstum.
  • "Partial involuting congenital hemangioma (PICH)": Diese angeborenen Hämangiome bilden sich nur teilweise innerhalb des Kleinkindalters zurück.

Gut zu wissen: Eine medikamentöse Therapie ist bei angeborenen (kongenialen) Hämangiomen nicht wirksam.