Spendersuche - Spendertypen

Autor:  Dr. med.habil. Gesche Tallen, Freigabe:  Dr. med. Sven-Jörn Kühl, Zuletzt geändert: 09.05.2024 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e267864

Bei einer allogenen Stammzelltransplantation werden dem Patienten die Blutstammzellen von einem verwandten oder nicht verwandten Spender (Familien- beziehungsweise Fremdspender) transplantiert.

Jeder Mensch hat andere Eigenschaften, darunter auch andere Gewebemerkmale auf seinen weißen Blutkörperchen (Leukozyten), es sei denn, es handelt sich um einen eineiigen Zwilling. Wie wir wissen, kann fremdes Gewebe oder ein fremdes Organ durch das körpereigene Abwehrsystem des Empfängers abgestoßen werden (Empfänger-gegen-Spender-Reaktion). Umgekehrt kann das Transplantat (hier die Stammzellen) eines Spenders auch die Körperzellen des Empfängers als "fremd" erkennen und dagegen reagieren (Transplantat-gegen-Empfänger-Reaktion, auch Spender-gegen-Empfänger-Reaktion genannt).

Um solchen Abstoßungsreaktionen vorzubeugen, wäre der optimal "passende" Spender für eine allogene also die Person, deren Leukozytenmerkmale oder "HLA-Merkmale" mit denen des Patienten absolut identisch sind.

Familienspender

Da die HLA-Merkmale je zur Hälfte von beiden Eltern vererbt werden, besteht bei jedem Geschwister eine 25-prozentige Chance, dass es mit dem Patienten in den HLA-Merkmalen übereinstimmt, das heißt HLA-identisch ist.

Die Wahrscheinlichkeit, im weiteren Familienkreis passende Spender zu finden, ist hingegen gering (unter 10 %). In der Regel finden sich dort nur Spender, die lediglich teilweise übereinstimmen, die also nicht HLA-identisch (HLA-different) sind. In seltenen Fällen und wenn die Eltern des Patienten miteinander verwandt sind, besteht die Möglichkeit, dass Personen aus dem engeren Familienkreis HLA-identisch sind. Ihr Arzt kann einen Stammbaum anlegen und die Möglichkeit für das Identifizieren eines passenden Familienspenders mit Ihnen besprechen.

Sollte kein passender Geschwister- oder Familienspender zur Verfügung stehen, kann man in einer weltweiten Datei nach einem passenden, unverwandten Spender suchen (siehe unten). In Europa ist die Spendenbereitschaft sehr hoch und viele Menschen sind, auch dank des Engagements der deutschen Spenderdateien, in den Registern registriert.

Gut zu wissen: Ein passender Spender aus der Familie wird auch als „Matched-Related Donor“ (kurz: MRD) bezeichnet. Handelt es sich dabei um ein Geschwister, spricht man auch von „Matched-Sibling Donor“ (kurz: MSD). Ein nur teilweise passender Familienspender wird „Mismatched-Related Donor“ (MMRD) genannt. Dies wäre zum Beispiel ein haploidentischer Elternteil als Spender. Ein passender Spender, der nicht aus der Familie kommt (so genannter Fremdspender), wird als Matched-Unrelated Donor (MUD) bezeichnet (siehe unten).

Unverwandter Spender („Fremdspender“)

Wenn kein passender verwandter Spender zu finden ist und aufgrund der Schwere der Erkrankung auch eine SZT von einem Fremdspender in Frage kommt, wird das Transplantationsteam Ihres Kindes in nationalen und internationalen Spenderdatenbanken nach nicht verwandten, freiwilligen Spendern ("Fremdspendern") mit weitgehend identischen Gewebemerkmalen suchen. Da der nicht verwandte Spender nie komplett "identisch" sein kann, spricht man in diesem Zusammenhang von HLA-verträglich oder HLA-kompatibel (auch Matched-Unrelated Donor, kurz: MUD).

Wie hoch die Erfolgschancen sind, einen passenden Fremdspender zu finden, hängt vom ethnischen Hintergrund ab. Bei Patienten mit einem europäisch-kaukasischem Hintergrund beträgt die Aussicht auf einen geeigneten Spender ca. 80 %. Bei Menschen mit einem afrikanischen oder asiatischem Hintergrund ist die Chance, einen passenden Fremdspender zu finden, deutlich geringer.

Die Fremdspendersuche, der eventuell notwendige Transport des Transplantats, die Koordination des zeitlichen Ablaufs der Stammzellgewinnung mit dem Transplantationsteam des Empfängers bis hin zur Durchführung der Transplantation ist eine verantwortungsvolle und zeitaufwändige Tätigkeit, die in ihrem Ablauf mit dem "Countdown" eines Raketenstarts zu vergleichen ist. In den meisten Transplantationszentren ist damit ein professioneller Transplantations-Koordinator in Zusammenarbeit mit der so genannten Fremdspendersucheinheit beauftragt.

Haploidenter Spender

Bei einer haploidenten oder haploidentischen Stammzelltransplantation, bei der in der Regel ein Elternteil als Spender fungiert, passen nur die Hälfte der HLA-Merkmale überein, da jeweils ein Elternteil die Hälfte der Gene an das Kind weitergegeben hat.

Durch bestimmte Verfahren, die man im Rahmen der Transplantation mit den Stammzellen durchführt oder durch spezielle Konditionierungsprotokolle, kann man erreichen, dass dieses nur 50-prozentig passende Transplantat vom Empfänger angenommen wird. Eine solche Transplantation ist mit einem höheren Risiko für eine Abstoßung und weiteren transplantationsbedingten Komplikationen verbunden.

Sie kann dann in Frage kommen, wenn weder ein HLA-identischer Geschwisterspender noch ein passender Fremdspender vorhanden ist, jedoch eine Transplantation zur Behandlung der Erkrankung unbedingt erforderlich ist, wie zum Beispiel bei beinem Immundefekt. Bei vielen nicht-malignen Erkrankungen ist man jedoch zurückhaltend, eine haploidente Stammzelltransplantation durchzuführen.

Es gibt jedoch auch komplikationsreiche Krankheitsverläufe bei nicht-malignen Erkrankungen, die eine haploidente Stammzelltransplantation rechtfertigen würden. Nicht in allen Kliniken werden haploidentische Stammzelltransplantationen durchgeführt. Je nach Grunderkrankung und weiteren Umständen wird das behandelnde Ärzteteam die Indikation für eine haploidente Stammzelltransplantation stellen und den Kontakt zu einem Stammzelltransplantationszentrum herstellen, das diese Art der Transplantation durchführt.

Prioritäten bei der Spendersuche

1. Wahl: HLA-identische Geschwister
2. Wahl: HLA-identische Fremdspender
(3. Wahl: teilweise passender Familienspender (z.B. haploidentische SZT), muss noch als experimentelle Therapie angesehen werden)

Gut zu wissen: Je nach Grunderkrankung wird die Indikation für eine Geschwis-ter- oder eine Fremdspendertransplantation gestellt. Eine nicht HLA-kompatible (HLA-differente) Stammzelltransplantation hingegen ist immer mit höheren Risi-ken verbunden, unabhängig davon, ob es sich um einen verwandten oder unver-wandten Spender handelt. Aus diesem Grund wird eine HLA-differente Trans-plantation als Therapie für nicht bösartige Erkrankungen des Blutes nur in Ein-zelfällen durchgeführt.

HLA-Typisierung

Die Bestimmung der individuellen Leukozytenmerkmale (HLA-Merkmale) nennt man HLA-Typisierung. Hierzu wird im Labor nach einer Blutentnahme von Spender und Empfänger das Muster der einzelnen Leukozyten-Antigene an verschiedenen Stellen auf der Oberfläche der weißen Blutzellen untersucht.

Dies geschieht heutzutage mit hochempfindlichen Verfahren fast ausschließlich auf Genebene („molekulargenetische DNA-Typisierung“).