Konditionierungsphase/Hochdosisphase

Autor:  Dr. med. habil Gesche Tallen, Dr. med. Andrea Jarisch, Freigabe:  Dr. med. Sven-Jörn Kühl, PD dr. med. Sebastian Voigt, Zuletzt geändert: 19.03.2024 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e267867

Voraussetzung für eine erfolgreiche Stammzelltransplantation ist, dass die gesunden Spenderzellen nach ihrer Übertragung

  1. genügend Raum zur Einnistung im Knochenmark des Empfängers finden,
  2. von den Blutzellen des Empfängers nicht als "Fremdlinge" abgestoßen werden, sondern sich erfolgreich vermehren können.

Um dies zu erreichen, muss der Empfänger so vorbehandelt werden, dass seine eigenen Knochenmarkzellen und damit die eigene Blutbildung mehr oder weniger vollständig ausgeschaltet werden. Sein Immunsystem wird damit unterdrückt.

Die Vorbereitung des Empfängers auf die Transplantation nennt man Konditionierung. Sie besteht im Allgemeinen aus einer Hochdosis-Chemotherapie. In manchen Fällen erhält der Patient außerdem Antikörper gegen seine Immunzellen (so genanntes Anti-Thymozyten-Globulin, ATG). Bei Patienten mit einer gutartigen Grunderkrankung wird zum Teil auch eine toxizitätsreduzierte Konditionierung (RIC) angewendet. Die Wahl des Konditionierungs-Schemas richtet sich in der Regel nach der Art und dem Stadium der Erkrankung sowie dem zur Verfügung stehenden Spendertyp. Im Anschluss an die Konditionierung erfolgt die eigentliche Transplantation.

Hochdosis-Chemotherapie

Der chemotherapeutische Teil der Konditionierungsbehandlung besteht in der Gabe von Zytostatika, die sonst in der Krebsbehandlung eingesetzt werden. Bei der Konditionierung werden jedoch viel höhere Medikamentendosen eingesetzt. Daher spricht man in diesem Fall auch von einer Hochdosis-Chemotherapie. Häufig verwendete Substanzen sind unter anderem Cyclophosphamid, Etoposid, Fludarabin, Melphalan, Busulfan, Treosulfan und Thiotepa.

Toxizitätsreduzierte Konditionierung (Reduced intensity conditioning (RIC)

Diese Form der Konditionierung wird zum Beispiel gewählt, wenn bei einem Patienten aufgrund seiner vorbestehenden Organschäden mit einer erhöhten Toxizität nach der SZT gerechnet werden muss. Es gibt verschiedene Konditionierungsregimes, die angewendet werden können. Bei der Toxizitätsreduzierten Konditionierung wird nicht das komplette Knochenmark des Patienten zertsört. Um eine Abstoßung des fremden Knochenmarks zu verhindern, sollte zusätzlich Anti-Thymozyten-Globulin (ATG) oder Alemtuzumab (ein Antikörper) verabreicht werden.

Nebenwirkungen der Konditionierung und Möglichkeiten zur Vorbeugung und Behandlung

Die intensive Chemotherapie, die im Rahmen der Konditionierungsbehandlung eingesetzt wird, ist mit verschiedenen akuten (und chronischen) Nebenwirkungen verbunden. Manche dieser Nebenwirkungen treten praktisch immer auf, andere sind sehr selten. Zu den sehr häufigen Nebenwirkungen gehören:

  • Übelkeit und Erbrechen
  • Haarausfall (Alopezie)
  • (Schmerzhafte) Schädigung der Schleimhäute von Mund, Rachen und Magen-Darm-Trakt (Mukositis‎)
  • Schädigung der Blutbildung und infolgedessen Mangel an roten und weißen Blutzellen sowie Blutplättchen (Knochenmarkaplasie)
  • Verminderte Fruchtbarkeit

In selteneren Fällen werden auch andere Organe (wie Leber, Nieren und Herz) in Mitleidenschaft gezogen. Bei Kindern, die mit Anti-Thymozyten-Globulin‎ (ATG) behandelt werden, treten recht häufig Reaktionen auf, die von den Symptomen her einer allergischen Reaktion ähneln, aber keine ist. Typische Symptome sind Fieber, Übelkeit und Erbrechen, Veränderungen des Blutdruckes, Abgeschlagenheit und Hautausschlag auf.

Gut zu wissen: Um den Nebenwirkungen der Konditionierung vorzubeugen oder diese zu lindern, wird das Behandlungsteam verschiedene unterstützende Behandlungsmaßnahmen ergreifen (so genannte Supportivtherapie). Ein Teil der Nebenwirkungen wird nach der Beendigung der Therapie wieder von selbst abklingen.

  • Übelkeit und Erbrechen können durch eine vorbeugende Behandlung mit gut verträglichen Medikamenten (Antiemetika) verhindert oder gemildert werden. Die in der Konditionierung verwendeten Medikamente verursachen oft weniger Übelkeit als viele Chemotherapien in der Krebsbehandlung.
  • Ein vorübergehender Haarausfall lässt sich nicht verhindern. Er kann aber unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Meist wachsen die Haare drei bis sechs Monate nach Therapieende wieder vollständig nach. Bis es soweit ist, kann das Tragen von Mützen, Kappen oder Tüchern dazu beitragen, dass sich die Patienten wohler fühlen.
  • Gegen die schmerzhaften und mit Schluckbeschwerden einhergehenden Entzündungen der Mund- und Darmschleimhaut werden Schmerzmittel gegeben. Meist ist in dieser Zeit auch eine künstliche Ernährung notwendig, damit der Patient ausreichend mit Nährstoffen versorgt ist. Je nach Ausmaß und Schweregrad der Mukositis kann dies über eine Magensonde oder über den zentralen Venenkatheter erfolgen.
  • Der Mangel an roten Blutzellen (Anämie) oder Blutplättchen (Thrombozytopenie) wird durch die Gabe entsprechender Blutkonserven (Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate) ersetzt. Ein Ersatz an weißen Blutkörperchen (Granulozyten) ist selten erforderlich.
  • Um den Patienten vor Infektionen (durch Bakterien, Pilze und Viren) zu schützen oder diese zu behandeln, werden Antibiotika, Virostatika sowie Pilzmedikamente verabreicht. Während der Phase der Knochenmarkaplasie wird der Patient außerdem in einem Isolierzimmer mit spezieller Luftfilterung ("Sterilzimmer") untergebracht und keimarm ernährt (siehe auch Kapitel zur Aplasie-Phase).
  • Durch die Hochdosistherapie kann die Funktion der männlichen und weiblichen Keimdrüsen – der Eierstöcke und der Hoden – beeinträchtigt werden. Aus diesem Grund ist es ratsam, möglichst schon vor der Therapie über Maßnahmen zur Erhaltung der Fruchtbarkeit zu sprechen. Weitere Informationen zum Thema erhalten Sie im Kapitel „Spätfolgen“.

In unserem Partnerportal kinderkrebsinfo erhalten Sie ausführliche Informationen zur Supportivtherapie.

Auch der Patient selbst beziehungsweise seine Angehörigen können durch verschiedene (vorbeugende) Maßnahmen dazu beitragen, Nebenwirkungen zu mildern und Komplikationen so gut wie möglich zu vermeiden. Dies gilt vor allem für Behandlungszeiten, die der Patient zu Hause verbringt (zum Beispiel während der ambulanten Behandlungsphase). Individuelle Empfehlungen erhalten Sie von Ihrem Behandlungsteam.

Neben den akuten Folgen der Behandlung muss auch mit verschiedenen Spätfolgen gerechnet werden. Informationen dazu finden Sie im Kapitel Spätfolgen.