Fruchtbarkeitserhaltende (fertilitätserhaltende) Maßnahmen

Redaktion:  Ingrid Grüneberg, Zuletzt geändert: 12.07.2023 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e270366

Mit dem zunehmenden Einsatz der HSZT bei Patienten mit nicht-malignen Erkrankungen rücken auch Themen wie Lebensqualität und Langzeitfolgen der HSZT in den Vordergrund. Rückblickende Untersuchungen von Thalassämie-Patienten zeigen, dass diejenigen, die eine HSZT erhalten haben, eine deutlich bessere Lebensqualität genießen als Patienten, die weiterhin eine konventionelle Therapie bekommen haben. Insbesondere bei Kindern gleicht sich die Lebensqualität nach erfolgreicher Transplantation an die der altersangepassten Normalbevölkerung an.

Allerdings führt die für die HSZT notwendige Konditionierung bei 80-100 % der Patienten zu einer Unfruchtbarkeit (Infertilität). Das Risiko der Infertilität nach einer HSZT hängt von der Grunderkrankung, einer möglicherweise bereits vor Beginn der Therapie reduzierten Keimzellreserve, Vortherapien, der Eisenüberladung, den verwendeten Konditionierungsmedikamenten und dem Alter des Patienten zum Zeitpunkt der HSZT ab.

Insbesondere alkylierende Substanzen - typischerweise Busulfan und Cyclophosphamid - führen zu einer partiellen oder kompletten Schädigung der Gonadenfunktion bei beiden Geschlechtern mit dem möglichen Verlust der Keimzellen oder einer verkürzten reproduktiven Phase bei den betroffenen Mädchen und Frauen. Aufgrund der unzureichenden Datenlage zur Fertilität nach Konditionierung mit reduzierter Toxizität (RIC) sollte aktuell bei allen Patienten, die eine HSZT erhalten, eine Beratung über fertilitätserhaltende Maßnahmen erfolgen.

Dasselbe gilt für Patienten, die eine Gentherapie wegen einer Thalassämie oder Sichelzellerkrankung erhalten. Auch bei ihnen führt die Chemokonditionierung, meist mit Busulfan, häufig zur Unfruchtbarkeit (Infertilität). Aktuell stehen keine sicheren medikamentösen Maßnahmen zur Verfügung, die die Schädigung der Gonaden durch die Chemotherapie verhindern.

Deshalb zielen die Maßnahmen zum Fertilitätserhalt stets auf die Entnahme und Kryokonservierung (Einfrieren) von Eizellen oder Ovargewebe beziehungsweise von Spermien oder Hodengewebe.

Viele HSZT bei Patienten mit nicht-malignen Erkrankungen werden im frühen Kindesalter, das heißt lange vor der Pubertät, durchgeführt. Die in dieser Phase ruhenden Keimzellen sind weniger empfänglich für schädliche Substanzen (Noxen) als nach der Pubertät, aber auch weniger zugänglich für eine Kryokonservierung. Erfreulicherweise eröffnen Fortschritte in der Reproduktionsmedizin auch für vor-pubertäre Patienten neue Perspektiven durch den Einsatz fruchtbarkeitserhaltender Maßnahmen. Allerdings sollte im Beratungsgespräch ausdrücklich auf den derzeit noch experimentellen Charakter fruchtbarkeitserhaltender Maßnahmen bei vorpubertären Mädchen und Jungen hingewiesen werden.