Krankheitsbild: Was ist eine Immunthrombozytopenie (ITP)?

Autor:  PD Dr. med. Gesche Tallen, Zuletzt geändert: 13.03.2023 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e262749

Der Begriff Immunthrombozytopenie (ITP) wird auch idiopathische thrombozytopenische Purpura oder Autoimmunthrombozytopenie genannt. Der früher häufig benutzte Eigenname M. Werlhof soll nicht mehr verwendet werden, da hier unterschiedliche Erkrankungen mit diesem Sammelbegriff gemeint sind. Die Diagnose einer Immunthrombozytopenie umschreibt eine Gruppe von erworbenen Erkrankungen des körpereigenen Abwehrsystems (Immunsystem), bei denen es zu einem Mangel von Blutplättchen (Thrombozytopenie) kommt.

Blutplättchen (Thrombozyten) werden im Knochenmark gebildet. Sobald sie reif sind, gelangen sie in den Blutkreislauf. Sie haben nur eine geringe Lebenszeit von etwa acht bis zwölf Tagen und werden dann in der Milz abgebaut. Blutplättchen sind kleine Zellen, die hauptsächlich für die Blutstillung verantwortlich sind. Sie sorgen beispielsweise dafür, dass nach einer Verletzung die Wände kleiner Blutgefäße innerhalb kürzester Zeit abgedichtet werden, so dass die Blutung zum Stillstand kommt. Bei einer ITP hält das körpereigene Abwehrsystem (Immunsystem) die gesunden Blutplättchen fälschlicherweise für krank. In der Folge werden diese verfrüht und auch vermehrt in der Milz abgebaut. Gelegentlich werden auch die im Knochenmark arbeitenden Zellen, die Thrombozyten produzierenden Megakaryozyten, von den Antikörpern angegriffen.

So kommt es zur Thrombozytopenie: Es stehen weniger Blutplättchen zum Wundverschluss zur Verfügung. Die Zahl der Thrombozyten allein ist jedoch nicht das alleinige Maß für die Wirksamkeit, da oft sehr große und junge (d.h. besonders effektive) Thrombozyten trotz geringer Zahl oft eine gute Blutstillung gewährleisten können. Insgesamt entsteht jedoch eine mehr oder minder stark erhöhte Blutungsneigung. Das bedeutet, dass bei den Betroffenen Blutungen leichter, beispielsweise nach einer relativ geringfügigen Verletzung, auftreten können als beim Gesunden. Ob ein Patient mit einer ITP behandelt werden muss, hängt von Schweregrad und Dauer der Blutungsneigung ab. Bei den meisten Kindern und Jugendlichen mit einer ITP kommt es nur zu leichten Blutungen (siehe Krankheitszeichen), und die Anzahl der Blutplättchen normalisiert sich meist innerhalb eines halben Jahres von selbst, so dass gar keine Therapie notwendig wird.

Eltern von Kindern und Jugendlichen mit einer ITP sollten wissen:

  • Eine ITP ist kein Blutkrebs und auch keine Vorstufe von Blutkrebs.
  • Lebensbedrohliche Blutungen sind bei Kindern und Jugendlichen mit ITP selten.
  • Die meisten Kinder und Jugendlichen mit einer ITP werden von alleine wieder gesund.
  • Nicht nur die Anzahl der Blutplättchen, sondern auch der gesamte gesundheitliche Zustand Ihres Kindes bestimmt die Schwere der Blutungsneigung.
  • Kinder und Jugendliche mit einer ITP sollten von einem spezialisierten, rund um die Uhr erreichbaren Behandlungsteam (Klinik für pädiatrische Hämatologie) betreut werden, damit z.B. auftretende Komplikationen umgehend behandelt werden können.
  • Es sollten keine Medikamente eingenommen werden, die blutverdünnende Nebenwirkungen haben. Das Behandlungsteam gibt darüber Auskunft.
  • Als weitere Vorsichtsmaßnahme sollten gefährliche Sportarten vermieden werden, die eine hohe Verletzungsgefahr in sich bergen. Das Behandlungsteam informiert Sie hierüber.
  • Die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen mit ITP wird ambulant betreut und kann weiter in den Kindergarten oder zur Schule gehen.
  • Kinder und Jugendliche mit einer ITP sollten immer einen vom ihrem Behandlungsteam ausgestellten Notfallausweis bei sich tragen

Anmerkung:

Seit ihrer Gründung im Jahr 1997 registriert die Interkontinentale Studiengruppe zur ITP im Kindesalter (Intercontinental Childhood ITP Study Group, ICIS) weltweit Kinder und Jugendliche mit ITP und studiert deren Daten zu Krankheitszeichen, Krankheitsverlauf und anderen Aspekten der Erkrankung. Diese Studie dient als Grundlage für aktuelle und zukünftige Behandlungskonzepte zur Verbesserung der Betreuung und der Lebensqualität der jungen Patienten und ihren Familien.