Krankheitszeichen: Welche Beschwerden haben Patienten mit Fanconi-Anämie?

Autor:  PD Dr. med. Gesche Tallen, Zuletzt geändert: 16.01.2023 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e264303

Die Fanconi-Anämie (FA) ist eine so genannte Keimbahnerkrankung. Das bedeutet, dass bei einem Patienten mit FA die zugrundeliegenden Erbgutveränderungen (pathogene Varianten von FA-Genen, siehe "Ursachen") jede Körperzelle betreffen. Entsprechend wirkt sich die Krankheit auf alle Organe aus und die gesundheitlichen Probleme der Patienten sind vielfältig. Sie können individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Die Beschwerden der Patienten entstehen aufgrund:

  • der Blutarmut infolge eines fortschreitenden Versagens des blutbildenden Knochenmarks (aplastische Anämie) und dadurch zunehmenden Mangel an roten und weißen Blutkörperchen sowie an Blutplättchen
  • von angeborenen (kongenitalen) Fehlbildungen
  • eines erhöhten Krebsrisikos.

Um die diagnostischen Methoden und Behandlungen für Patienten mit FA besser zu verstehen, ist es zunächst wichtig, mehr über die einzelnen Beschwerden zu erfahren.

Knochenmarkversagen und Blutarmut (aplastische Anämie)

Die FA gilt als häufigste Ursache für ein angeborenes Knochenmarkversagen. Rote (Erythrozyten) und weiße Blutkörperchen (Leukozyten) und auch die Blutplättchen (Thrombozyten) werden im Knochenmark gebildet. Versagt dieses wie bei Patienten mit einer FA, so kommt es zu einem fortschreitenden Mangel aller dieser drei Zellarten (aplastische Anämie).

Das Knochenmarkversagen bei einer FA entwickelt sich in der Regel über Monate bis Jahre. Der Beginn des Knochenmarkversagens ist sehr unterschiedlich. Gesundheitliche Probleme durch die Blutarmut entstehen in der Regel um das 7. Lebensjahr. Daten des Internationalen Fanconi-Anämie-Registers (IFAR) zeigen, dass über 80 % der FA-Patienten im Alter von 10 Jahren einen Mangel an 2 bis 3 der oben genannten Zellarten aufweisen. Bei Erwachsenen (etwa 40. Lebensjahr) sind es 90 %.

Diese Beobachtung beruhen auf Daten von Patienten mit insbesondere FANCA-, FANCC-, FANCG-Veränderungen. Bei Patienten mit selteneren FA-Genen kann der Verlauf von Blutarmut durchaus anders sein. Wichtig sind die Verlaufsbeobachtung und regelmäßige Blutbildkontrollen zur klinischen Einschätzung (siehe auch Hinweise in klinische Überwachung von FA-Patienten).

Gesundheitliche Probleme von Patienten mit FA und fortschreitendem Knochenmarkversagens sind:

  • zunehmende Blässe, Kopfschmerzen, rasche Ermüdbarkeit, Trinkunlust und Gedeihstörungen, Luftnot bei körperlicher Anstrengung durch Mangel an roten Blutkörperchen
  • erhöhte Infektanfälligkeit durch Mangel an weißen Blutzellen (Leukozytopenie/Granulozytopenie)
  • erhöhte Neigung zu Blutungen (Blutergüsse und innere Blutungen) durch Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie)
  • Blutkrebs (akute myeloische Leukämie, myelodysplastisches Syndrom) durch Entartung von Blutzellen

Weitere Symptome

Etwa zwei Drittel aller FA-Patienten haben angeborene (kongenitale) Fehlbildungen unterschiedlicher Organe. FA-Patienten können wenig oder viele Symptome haben oder im Verlauf der Zeit entwickeln. Deshalb wird die Diagnose einer FA oft erst dann gestellt, wenn sich gesundheitliche Probleme infolge der Blutarmut (siehe oben) entwickeln.

Häufige Symptome bei Patienten mit FA sind:

  • Skelettveränderungen
  • Hautveränderungen
  • Kleinwuchs
  • Fehlbildungen der Ohren und Hörminderung
  • Störungen des Hormonhaushalts
  • Veränderungen der Geschlechtshormone und Unfruchtbarkeit (Infertilität)

Des Weiteren können auch Entwicklungsverzögerung, Herzfehlbildungen, Fehlbildungen der Niere/Harnwege und Probleme des Verdauungstraktes auftreten.

Skelettveränderungen

Etwa die Hälfte aller FA-Patienten weisen Störungen des Skelettsystems auf. Hierzu gehören beispielsweise knöcherne Fehlbildungen der Hüfte (Hüftdysplasie) und der Wirbelsäule (Skoliose). In den meisten Fällen betreffen diese Skelettveränderungen die Hände (fehlende oder verkürzte Daumen) oder Unterarmknochen (fehlender oder verkürzter Speichenknochen).

Hautveränderungen

Die Mehrheit der Patienten zeigen Auffälligkeiten der Hautpigmentierung wie zum Beispiel „Cafe-au-lait-Flecken“, verminderte oder vermehrte Pigmentierung („Hypo-“ oder „Hyperpigmentierung“). Dies ist in manchen Fällen die erste Auffälligkeit bei FA-Patienten, allerdings sind diese Veränderungen nicht spezifisch für FA.

Kleinwuchs und Störungen der Hormon-produzierenden Drüsen

Ein für die FA typisches Krankheitszeichen ist die Wachstumsstörung. Bereits bei Geburt zeigt sich bei ungefähr der Hälfte aller FA Patienten eine verminderte Körpergröße und -gewicht. Die Mehrzahl aller FA Patienten (ca. 60 %) weist auch später eine verminderte Körpergröße auf. Der Kleinwuchs wird oft zusammen mit Störungen der Hormon-produzierenden (endokrinen) Drüsen nachgewiesen. Die Folgen gestörter Hormonproduktion äußern sich beispielsweise durch einen Mangel an Wachstums-, Schilddrüsen-, oder Geschlechtshormonen und auch durch Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus).

Fehlbildungen der Geschlechtsorgane und Unfruchtbarkeit (Infertilität)

Männliche FA-Patienten können in der Regel keine Samenzellen produzieren (Azoospermie). Sie sind daher unfruchtbar. Frauen mit FA können nur innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums, selten nach dem 30. Lebensjahr, schwanger werden.

Schwangere Patientinnen mit FA können aufgrund ihrer Blutarmut (Anämie)und anderen krankheitsbedingten Störungen Komplikationen erleiden. Daher gelten diese Schwangerschaften als so genannte Risikoschwangerschaften. Sie bedürfen einer vergleichsweise intensiveren frauenärztlichen Betreuung als bei gesunden werdenden Müttern.

Erhöhtes Krebsrisiko

FA-Patienten haben ein vielfach erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens eine oder mehrere bösartige Erkrankung(en) zu entwickeln. Bei Kindern- und Jugendlichen besteht hierbei vor allem ein erhöhtes Risiko für bösartige Erkrankungen des Blutbildenden Systems, insbesondere für akute myeloische Leukämien (AML) und das myelodysplastische Syndrom (MDS, myelodysplastisches Syndrom).

Im Erwachsenenalter steht im Vordergrund ein hohes Risiko für bösartige Schleimhautgeschwulste (Plattenepithelzellkarzinome) in Mund/Rachen oder Speiseröhre und im Anogenitalbereich (betreffend den Anus/After und die Genitalien/Geschlechtsteile). Auch wenn diese Erkrankungen die häufigsten bei FA-Patienten darstellen, muss beachtet werden, dass insgesamt ein erhöhtes Risiko für bösartige Neubildungen besteht. akute lymphoblastische Leukämie, Lymphome, Neubildungen der Leber oder Brustkrebs können ebenfalls auftreten.

Patienten mit Veränderungen in den FA-Genen FANCD1/BRCA2 und FANCN/PALB2 können sehr früh an Krebs erkranken und zeigen zusätzlich ein erhöhtes Risiko für Hirn- und Nierentumore.

Veränderung in fünf bekannten FA-Genen (FANCD1/BRCA2, FANCJ/BRIP1, FANCN/PALB2, FANCO/RAD51C, FANC2/BRCA1) sind auch in der Entwicklung von Brustkrebs involviert. Daher sollten auch gesunde Familienangehörige von FA-Patienten, bei denen Veränderungen in diesen Genen festgestellt wurden, diese mit ihren behandelnden Ärzten besprechen.

Angesichts der Vielfalt der verschiedenen Neubildungen und ihres frühen Auftretens ist es notwendig, dass FA-Patienten regelmäßige Kontrolluntersuchungen in einem Spezialzentrum wahrnehmen. Nur so kann eine Krebserkrankung frühzeitig erkannt und mit der notwendigen Behandlung begonnen werden.